Churer Mühlbäche
Statut Spezialkommission Mühlbache
Churer Mühlbäche
Publikation von Gaudenz Schmid: Churer Mühlbäche und Pulvermühle
Durch das Stadtgebiet von Chur fliessen zwei natürlichen Flüsse, der Rhein und die Plessur, sowie zwei künstliche Bäche, die Chur seit Jahrhunderten mit Wasser und Energie versorgen: Der Obertorer und der Untertorer Mühlbach. Sie werden im Sand vom Elektrizitätswerk gefasst und versorgen auf einer Länge von 8,5 km kleine und grosse Mühlen, Betriebe mit mechanischer und elektrischer Energie.
Kontakt Churer Mühlbäche:
Rene Caviezel, Postgasse 2, 7023 Haldenstein
078 884 80 55 - rene.caviezel@chur.ch
Geschichte der "Churer Mühlbäche"
Wann die Mühlbäche entstanden sind, ist nicht genau bekannt. Sie können schon zu Römerszeiten funktioniert haben, urkundlich erwähnt sind sie erstmals im 12. Jahrhundert.
Früher speisten die Mühlbäche die offen fliessenden Stadtbächlein, besorgten die Abwasserreinigung, spendeten Wasser zum Löschen der Brände sowie zum Bewässern der Felder und füllten bei Bedarf den Stadtgraben. Ab der Mitte des 16. Jahrhunderts entstanden in Chur eine kleine Zahl von Industriebetrieben. Auch sie nutzten die Wasserkraft und siedelten sich deshalb längs der beiden Mühlbäche an. Erst mit Aufkommen von starken Elektromotoren und billigem Strom wurde der Standort am Mühlbach nicht mehr zwingend.
Die Churer Mühlbäche sind keine natürlichen Gewässer, es sind künstlich angelegte „Industriekanäle“, die ursprüngliche Wasserfassung lag hinter dem heutigen Flössplatz an der Plessur. Seit dem Neubau der Kraftwerkzentrale Sand im Jahre 1906 ist die Fassung unmittelbar nach der Zentrale. Heute werden die Mühbäche ausschliesslich aus dem Überlauf der Zentrale gespiesen, da die direkte Einleitung von Plessurwasser zuviel Sand in die Mühlbachkanäle bringen würde.
Ab der Zentrale Sand bis zum Trennbauwerk bei der kantonalen Sportanlage beträgt die Wassermenge 2.4 m3/s, ab der Teilung fliesst sowohl beim Obertorer Mühlbach wie auch beim Untertorer Mühlbach je 1.2 m3 Wasser pro Sekunde. Anlässlich der Verlegung des Obertorer Mühlbachs im Abschnitt der Oberen Au wurde die Wassermenge im Jahr 2019 erheblich reduziert.
Der Obertorer Mühlbach überquert auf einem Aquädukt die Plessur und fliesst über Türligarten, Zollhaus, Welschdörfli, Sägenstrasse und Pulvermühle in den Rhein. Der Untertorer Mühlbach fliesst via Poststrasse, Alexanderplatz, Lacuna zum Ententeich in den Rhein.
In den besten Zeiten wurden die Mühlbächen von beinahe 30 Betrieben genutzt, und das Wasser der Mühlbäche wurde in Trockenperioden zu Bewässerungszwecken umgeleitet.
Heute sind noch das Wasserrad "Willy Sand", die Pulvermühle und die Turbine CADA vorhanden und als einziges gewerbich genutztes Kraftwerk die Anlage Rheinmühle in Betrieb. Ausserdem wird der Mühlbach noch zu Kühlungszwecken genutzt.
Spezialkommission
Seit dem Jahr 2007 war ein “Verein Kleinkraftwerke Churer Mühlbäche” aktiv, um bestehende, nicht mehr genutzte Anlagen, die von den Mühlbächen angetrieben werden, zu erhalten und zu unterhalten, insbesondere das Mühlrad mit Generator Willy Sand am Münzweg und das Kleinkraftwerk CADA an der Sägenstrasse. Nachdem das Werklein der ehemaligen Teigwarenfabrik CADA der Stadt Chur übergeben werden konnte und ein neues Mühlrad am Münzweg durch den Kanton Graubünden erstellt worden ist, sah der Verein seine Aufgaben im Wesentlichen als erfüllt an. Es bleibt die Betreuung des Museums Pulvermühle. Seit 2019 befasst sich eine „Spezialkommission“ des Stadtvereins intensiver mit den Belangen der Churer Mühlbäche und den angeschlossenem Betriebe. In Zusammenarbeit mit der Stadt Chur, mit dem Kanton, mit Chur Tourismus und Mitgliedern des ehemaligen Vereins Kleinkraftwerke ist die
Spezialkommission bestrebt, die Churer Mühlbäche wieder stärker ins Bewusstsein der Bevölkerung zu heben und Gästen zu zeigen. Zu diesem Zweck werden zunächst an geigneten Stellen „blaue Tafeln“ mit geschichtlichen und sachdienlichen Hinweisen angebracht.
Installationen
Nebst den verschiedensten Wasserwerken mit Wasserrädern oder Turbinen
(siehe Churer Mühlbäche > Verlauf) befinden sich noch weitere
"Installationen" dem Mühlbach entlang.
Das Kleinkraftwerk CADA
Die gesamte Anlage stammt aus dem Jahr 1904
Wassersteuerung und Rechenanlage
Diese Anlageteile befinden sich ausserhalb des Gebäudes.
Der Bachlauf wird vor dem Maschinenhaus in zwei unabhängige Kanäle getrennt. Der rechte Kanal (Durchlauf) führt den Mühlbach seitlich neben der Rechenanlage unter dem Gebäude der Anlage vorbei. Der zweite Kanal (Betrieb) führt das Wasser durch die Rechenanlage der Turbine zu. Mittels einfacher Holzschleusen, die mit Elektromotor oder von Hand gesteuert werden, wird das Kraftwerk in Betrieb gesetzt. Durch die Rechenanlage, die mittels Elektromotor via Gliederkette und spezieller Führungsschiene einen Rechen über die Gitterstäbe zieht, wird Schwemmgut und übriger Unrat von der Turbine ferngehalten. Das
Rechengut wird in dem dahinter liegenden Sammelkanal aufgefangen.
Maschinenraum, Turbine und Stromverteilanlage
Das Maschinenhaus besteht aus dem Maschinen-, dem Turbinen- und dem Batterieraum. Unter dem Boden des Maschineraums fliesst der Mühlbach, je nach Schieberstellung, durch den Durchlasskanal oder in den Turbinenraum. Im Turbinenraum fliesst das Wasser radial durch den Leitapparat und dreht dabei das Francis-Turbinen-Laufrad. Der Wasseraustritt erfolgt axial nach unten. Bei einer Wassermenge von 1.2 m3/s und einer Gefällshöhe von 1.2 m ergibt dies eine Leistung von ca. 14 kW.
Die Kraftübertragung erfolgt von der Francisturbine via einer senkrechten Welle und einem Kegelradgetriebe auf eine horizontale Welle mit Riemenscheibe. Das Kegelradpaar besteht aus einem stählernen Rad und einem mit Holzzähnen bestückten Stahlrad. Über das Transmissionsgetriebe ist gewährleistet, dass der angehängte Generator mit einer Drehzahl von 1000 U/min angetrieben wird. Der Gleichstromgenerator besteht aus einem äusseren, unbeweglichen Teil, dem Stator und einem inneren, drehbar gelagerten Teil, dem Rotor. Die Rotorwicklungen schneiden beim Drehen die magnetischen Feldlinien des Stators, dabei wird nach dem Induktionsprinzip die Bewegungsenergie in elektrische Energie umgewandelt. Der erzeugte Strom von 120V, 130A wurde über den Schaltkasten entweder direkt der Teigwarenfabrik zugeführt oder in den im Nebenraum vorhandenen Akkumulatoren gespeichert.
Im Batterieraum befanden sich total 54 Oerlikon Blei-Akkumulatoren à je 2 V Spannung, insgesamt also 108 V. So konnte die Energie gespeichert und bei Bedarf abgerufen werden, oder über einen Wechselrichter als Wechselstrom dem öffentlichen Netz zugeführt werden.
Im Glas-Isoliergefäss befanden sich parallel geschaltete positive und negative Platten. Im geladenen Zustand enthalten die positiven Platten eine aktive Masse aus Bleioxid, die negativen Platten aus Blei. Die Platten stehen in 20%iger Schwefelsäure.
Jeder Akku bestand aus mehreren Bleiplatten und ca. 17 Liter Batteriesäure und das alles direkt über dem Mühlbach gelagert!
Übernahme des Werkes durch die Stadt Chur
Im Jahre 2007 reichten die Eigentümerinnen der Liegenschaft, die Firmen Frigemo AG und Swissbuildig Conzept AG, ein Baugesuch zum Abbruch der Liegenschaft und zum Bau von Mehrfamilienhäusern bei der Stadt ein. Nicht explizit eingeschlossen war im Bauprojekt das historische, über hundertjährige Kleinkraftwerk. Eine Besichtigung vor Ort mit dem Departementsvorsteher zeigte, dass ein Erhalt dieser Anlage als Zeuge und auch als Anschauungsobjekt der Nachwelt erhalten werden sollte. Das Tiefbau- und Vermessungsamt wurde mit dieser Aufgabe betraut und nach diversen Besprechungen mit den Eigentümern, dem städtischen Hochbauamt, der kantonalen Denkmalpflege, dem Amt für Umwelt und Natur, dem Rätischen Museum, dem Verein „Kleinkraftwerk Willy Sand“ und dem Heimatschutz konnte dem Stadtrat ein Vorschlag zum Erhalt des Kraftwerkes unterbreitet werden. Mit Beschluss vom 17. Dezember 2007 hat der Stadtrat das Projekt genehmigt und den entsprechenden Kredit freigegeben. Mit den Eigentümern der Parzelle wurde ein Dienstbarkeitsvertrag zum Baurecht abgeschlossen. Gemäss Dienstbarkeitsvertrag gestatten die jeweiligen Eigentümer der Parzelle der Stadt Chur das bestehende Kraftwerk dauernd beizubehalten.
In intensiver Zusammenarbeit mit dem Verein Kleinkraftwerke Churer Mühlbäche, den städtischen Abteilungen Hochbau und Werkbetrieb und der kantonalen Denkmalpflege, die sich auch an den Kosten beteiligte, wurde das Kleinkraftwerk saniert und so hergestellt, dass es als „museales Kraftwerk“ Besuchern präsentiert und für Demo-Zwecke in Betrieb genommen werden kann. Für den Unterhalt und Betrieb/Besichtigung wurde mit dem Verein "Kleinkraftwerke Churer Mühlbäche" eine Benutzerordnung vereinbart. Im Jahre 2017 wurde der Unterhalt und Betrieb/Besichtigung der Anlage durch den städt. Werkbetrieb übernommen.
Das Kleinkraftwerk Willy Sand
Geschichte
1859 verlegte Josef Anton Willi seine Werkstätte von Domat-Ems nach Chur an den Münzweg. Die Firma Willy baute dort Müllerei- und Sägereimaschinen, Wasserräder und Turbinen sowie Most- und Weinpressen. Vermutlich gab es dort ab 1880 das erste Elektrizitätswerk der Stadt Chur. Josef, der älteste Sohn von J. A. Willi trat 1890 aus dem Betrieb seines Vaters aus und gründete die Firma J. Willy Sohn an der Kasernenstrasse. Im Fabrikgelände an der Kasernenstrasse wurde mit einer im Mühlbach gelegenen Wasserturbine elektrische Energie erzeugt. J. A. Willi und nach seinem Tod die Söhne Georg und Johann führten den Betrieb am Münzweg weiter.
Das heute am Münzweg noch bestehende Wasserrad trieb ursprünglich über Riemen die Maschinen des Betriebes mechanisch an. Ab circa 1910 trieb dieses Wasserrad zusätzlich einen Generator an. Diese elektrische Energie diente zur Beleuchtung des Betriebes, der Büros und des Wohnhauses der Familie. Ausserdem bestand auch eine Leitung in die Kathedrale, wo der Strom ebenfalls der Beleuchtung diente. Der Generator lud zu Betriebszeiten Batterien mit einer Spannung von 110 V ( 50 Batterie-Kästen à 2.02 V ) auf, welche nach Arbeitsschluss als Stromquelle dienten. Mit einer Schleuse vor dem Rad wurde die Wasserzufuhr geregelt. Nach der Umstellung des Betriebes auf Elektromotoren wurde das Wasserrad nur noch für die Beleuchtung verwendet.
Anlage heute
Im Zuge des Neubaues der Bibliothek und der Mensa der Bündner Kantonsschule Chur wurde die Aussenanlage mit einem neuen Wasserrad, ähnlich des historischen Wasserades, als Demonstrationsanlage ergänzt. Das gegen 100 Jahre alte Wasserrad mit einem Durchmesser von 3,2 m erzeugte jährlich etwas 25'000 kWh Strom. Das neue, 2018 in Betrieb genommene, ebenfalls aus rohem Stahl gefertigte Wasserrad hat einen Durchmesser von 4,5 m. 24 Schaufeln nutzen 1,2 m3 Wasser pro Sekunde und produzieren mittels eines Generators jährlich gegen 48'000 kWh Strom; dies entspricht der Energie von 12 Haushalten.
Pulvermühle
Das Areal Pulvermühle umfasst 3,5 ha und liegt zwischen Mühlbach, Pulvermühlestrasse und A 13. Hier wurde von 1842 bis 1976 Schwarzpulver produziert. Gegründet von Peter Theodor Marin aus Zizers übernahm die Eidgenossenschaft 1858 den Betrieb. Die Belegschaft von 7 bis 10 Mann produzierte jährlich bis zu 90 Tonnen Schiess-, Spreng- und Artilleriepulver herzustellen. Aus Sicherheitsgründen wurden die Betriebsteile getrennt. Somit befinden sich heute noch 21 historische Kleinbauten aus der Zeit der Pulverfabrikation in der Anlage. Die frühindustriellen Einrichtungen mit ihren vom Obertorer Mühlbach angetriebenen Maschinen bilden seit dem Jahr 2006 ein Museum und einen Tier- und Freizeitpark.
Rheinmühle und Ententeich am Untertorer Mühlbach
Der am Rheinbord gelegene Weiher entstand Mitte des 20. Jahrhunderts durch Aufstauung des Untertorer Mühlbaches, sodass heute eine Turbinenanlage von 40 kWh angetrieben werden kann. Die nahegelegene Rheinsäge wurde Ende der 1820er Jahre von der Stadt Chur gebaut und 1842 an privat verkauft. 1871 entstand eine Mühle auf dem Areal. Während 1899 noch zwei oberschlächtige Wasserräder das natürliche Gefälle des Mühlbachs nutzen, trieben 1959 zwei Francis-Spiralturbinen aus den 1930er Jahren mit einer Leistung von 35 bzw. 65 PS die Mühle an. Die Grüninger Mühlen AG kaufte 1986 die Rheinmühle samt Rheinmühleweg, Weiher, Wasserkanal und Turbine. Sie baute die Mühle zu einer Getreidesammelstelle um. Am Mühleturm schufen 2018 der Churer Künstler Fabian "Bane" Florin und sein Team das grösste Wandgemälde der Schweiz
Verein Kleinkraftwerke Churer Mühlbäche
Pulvermühle
Führungen zwischen April und Oktober auf Anmeldung:
Gaudenz Schmid-Lys, Rheinstr. 186, 7000 Chur, Tel. 081 285 15 34.
Gruppengrösse mindestens 10 Personen
Eintritt Fr. 10.-/Person.